Bei Flüchtlingen sind zunächst einmal die gleichen Infektionskrankheiten häufig wie auch bei Einheimischen, z. B. akute Atemwegsinfektionen, typische Kinderkrankheiten und gastrointestinale Infektionen. Seltene und spezielle Infektionskrankheiten betreffen insbesondere solche mit Verbreitung in den jeweiligen Herkunftsländern sowie in den Ländern, die die Asylsuchenden auf ihrer Fluchtroute durchquert haben.
Bei der Differenzialdiagnose sind die Inkubationszeit der Erkrankungen, die Dauer der Flucht, die zurückgelegte Fluchtroute, die Fortbewegungsart (Landweg, Wasserweg), Quellen von Nahrungsmitteln (Wildpflanzen, Wasser) etc. zu berücksichtigen. Ferner ist daran zu denken, dass häufiger keine Immunität gegenüber impfpräventablen Erkrankungen, wie zum Beispiel Varizellen und Masern, vorliegt. Es können auch Infektionen mit kurzer Inkubationszeit auftreten, die sich der Flüchtling eine auf dem Fluchtweg zugezogen hat. Dies betrifft beispielsweise Fälle von Leptospirose oder vektorübertragene Erkrankungen.
Ein durch die Flucht oder durch bereits bestehende Vorerkrankungen geschwächter Gesundheitszustand prädisponiert die Flüchtlinge zu zum Teil schwerwiegenden Verläufen oder Komplikationen der Erkrankungen. So wird das Risiko für Atemwegsinfektionen durch Kälte und Nässe tagsüber und nachts, für gastrointestinale Infektionen durch nicht ausreichende Versorgung mit sauberem Wasser und für vektorübertragene Erkrankungen durch fehlenden Schutz vor Insektenstichen während der Flucht erhöht. Das Schlafen unter freiem Himmel ohne Schutz vor freilebenden und streunenden Tieren stellt ferner einen Risikofaktor für den Erwerb einer Tollwutinfektion dar, da die Fluchtroute vieler Flüchtlinge durch Länder mit erhöhtem Tollwutvorkommen führt.